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Josef Meißner, Sohn eines Hauptschullehrers aus Beiderwies in Passau, besuchte nach der Grundschule zwei Jahre lang das Bischöfliche Studienseminar St. Altmann in Burghausen, legte das Abitur am Passauer Gymnasium Leopoldinum ab, studierte in Regensburg Deutsch, Sozialkunde, Geographie für das Lehramt an Gymnasien, absolvierte das Referendariat in Würzburg und kam 1981 als Lehrer an seine eigene Schule zurück. Meißner unterrichtete bis 2013 neben den genannten Fächern auch Theater, außerdem war er Seminarlehrer für Staatsbürgerkunde und kommissarischer Leiter der Schule in schweren Zeiten. 2013 wurde ihm für sein hohes ehrenamtliches Engagement die Ehrennadel der Stadt Passau verliehen.

Der Meißner Sepp hat sich immer was getraut. Manchmal war der Erfolg zweifelhaft, wie etwa sein aufgrund von Pennälerstreichen unvermeidlicher Abgang aus Burghausen – das hat ihn geprägt, vielleicht wurden deshalb immer wieder Glaubensrituale in den Kabarettprogrammen aufs Korn genommen, die er mit Schülern, Amateuren und Profis erarbeitete. Manchmal waren die Folgen auch schmerzhaft, die nicht berücksichtigte Bewerbung seines Leo-Kabaretts „Ars A(r)matoria“ zu den bayerischen Theatertagen der Gymnasien 2008 war so ein Fall. Das Programm sei den Juroren wohl zu provokant gewesen, wie er später meinte. Aber wer im Passau der Sechziger- und Siebzigerjahre, tiefschwarz und erzkatholisch, seine Jugend erlebte und sich was traute, der geriet unvermeidlich in fruchtbaren Austausch mit dem Theater, mit dem Scharfrichterhaus, mit Kabarettisten, Schauspielern, Literaten wie Barbara Dorsch, Sigi Zimmerschied, Bruno Jonas, Rudolf Klaffenböck, um nur einige zu nennen, mit dem Kabarett im Allgemeinen und dem Schulkabarett im Besonderen.

Vieles ist ihm scheinbar leicht von der Hand gegangen, weil er es wollte und weil er sich getraut hat; aber auch deshalb, weil seine Frau Brigitte ihm von Anfang an Rückendeckung gab und ihn kritisch begleitete, seit er 1982 eine Theatergruppe am Leopoldinum gründete. Von Beginn an erarbeiteten die Leo-Theatergruppen ihre Produktionen selbstständig oder in kreativer Auseinandersetzung mit einschlägigen Stücken und Szenen. „Schultheater kann nicht das Aufsagen und Nachspielen sattsam bekannter Texte sein“, stellte der Sepp in einem Interview mit der Passauer Neuen Presse fest. „Es muss die Jugendlichen interessieren, sie von sich erzählen und sich einbringen lassen.“ Dieser Schultheater-Ansatz war folgenreich – er brachte unvergessliche Produktionen hervor und etliche Mitwirkende blieben der Bühne treu, wie etwa Norbert Entfellner, Cornelius Hafner, Markus Gröschler, Karoline Plenk, Katharina Jonas, Katharina Schwägerl, Andreas und Christian Weindl.

So entstand 1983 „Einer muss gewinnen“, die ätzende Parodie einer Fernsehshow. 1991 wurden die Märchen-Variationen „Aschenputtels“ zu den bayerischen Theatertagen der Gymnasien eingeladen. 2002 zeigte Meißners Kabaretttruppe auf den Theatertagen „Non vitae. Eine Schulkollerage“ mit sensationellem Erfolg. Hier wurde nicht nur der Schulalltag kritisch inspiziert und ironisch aufgespießt, sondern es wurden Texte er- und verarbeitet sowie provokant arrangiert, die philosophischen Tiefgang besaßen, von Heidegger bis Zimmerschied. 2005 präsentierte die Gruppe mit „Dies Irrae“ ein weiteres Highlight aus dem Kabarettprogramm des Leopoldinums auf den bayerischen Theatertagen. Die sketchartigen Szenen und Minidramen folgten dem Tagesverlauf, den Sonntag interpretierten die Passauer mit galligem Humor, genauer Komik und unerbittlicher Ironie als jenen Tag, der die Grenzen kleinbürgerlicher Existenz offenlegt. Mit dieser Produktion wurden Sepp Meißner und seine Schüler zum Theatertreffen der Jugend in Berlin eingeladen.

Und auch hier hat sich der Sepp was getraut: Seine Gruppe hat trotz unpassender Bühnenverhältnisse die kabarettistische Präsentationsform durchgehalten, hat im tiefsten Passauer Mittelbairisch dem Hauptstadtpublikum Alltagsfiguren zugemutet, die der Sonntag in den Abgrund reißt, und eine Inszenierung, die durch grotesk-provokante Verzerrung der Wirklichkeit beeindruckte. 2008 wurde Meißner dann als Juror des Theatertreffens der Jugend berufen, eine Tätigkeit, der er bis 2013 mit vollem Engagement und großer Begeisterung nachging. Viel Zeit und Energie investierte er hier, viele Diskussionen führte er unerschrocken, alles neben dem Unterricht, eben weil „das schon geht, wenn man will.“

Noch viel mehr musste gehen, weil er es wollte – und auch bestens konnte: 2003 zeigte er das Kabarettprogramm „Treibgut“ am Scharfrichterhaus und anderswo, 2010 folgte „Kellerkinder“. In Plattling inszenierte er ein großes Laienschauspiel über die Nibelungen, weitere Freilichtspiele folgten. Am Jugendtheaterfestival in Straubing nahmen er und seine Leute 2005 und 2007 teil. Daneben wirkte er als Referent in den Bereichen Kabarett, Regie und szenisches Lernen und leitete ab 2010 die Fördergemeinschaft für das Schultheater an den bayerischen Gymnasien. Schon 2001 richtete das Leopoldinum Passau unter seiner organisatorischen Leitung diese Theatertage aus, 2013 ein zweites Mal. In diesem Jahr, dem des Jahrhunderthochwassers in der Donaustadt, mutierte er vollends zum Sysiphos, der neben der Aufgabe des Vorsitzenden der Fördergemeinschaft auch die Tätigkeiten als Leiter der Jury, als verantwortlicher Ausrichter in Passau, als Referent im Rahmen der hier integrierten Fortbildung zum Thema Schulkabarett und als Regisseur seiner Kabaretttruppe bravourös schulterte. Denn mit „Schui spuin“, seiner letzten „kabarettistischen Collage“, setzte er das Fortbildungsthema beispielhaft in die Praxis um. Sepp Meißners Stärken, die Beherrschung des Theaterhandwerks, seine kritische Kreativität, seine hartnäckige Tüftelei und, entscheidend, sein tiefes, mitfühlendes Verständnis für die Befindlichkeiten seiner Schüler-Schauspieler zeichneten auch diese Produktion aus. Mit einem Zitat aus meiner damaligen Rezension schließen diese Erinnerungen an ihn, an Josef Meißner, dem nicht nur das bayerische Schultheater so viel zu verdanken hat:

„Am Ende des ‚Unterrichts‘ rattern die auf der Bühne versammelten Akteure als Vor- und Mitbeter eine Litanei frommer und frecher Schülerwünsche herunter. Der letzte lautet: ‚Schuilehrer Meißner, mach´s Liacht aus!‘ Black, Applaus, Standing Ovations, Glückwünsche, Dank. Servus, Sepp!“


Karlheinz Frankl

Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Theater und Film an den bayerischen Schulen